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Ein Tourbericht
von Eckart Märkel und Karsten Falkenhagen
Bereits vor zwei Jahren organisierte der damals erst drei Jahre junge Leder- und Motorradclub Zürich, kurz LMZ, eine Rundreise durch die Schweiz. Eckart hatte ja schon über seine positiven Erfahrungen im Bärentratsch berichtet. So gab es für uns auch nicht viel zu überlegen, und wir meldeten uns im Dezember 1996 für die Helvetica-Bike-Week 1997 an. Da die Tour in Lausanne enden würde, entschieden wir uns zur Teilnahme an dem (nur Dank der Anwesenheit der meisten Teilnehmer der Helvetica Bike Week) "großen" Ledertreffen zum 15jährigen Bestehen des in Lausanne ansässigen MSC Suisse Romande (auch bei diesem Club liegt die Betonung weniger auf MS als auf C) mit der ersten Wahl zur "Miss" Leather Switzerland. Eine Woche nur Motorräder und Kerle in Leder, was für eine Vorfreude.
Schon lange stand fest, daß es 1997 wieder solch ein Motorradereignis in der Schweiz geben würde. Diesmal nahmen über 100 Motorradfahrer teil, vorwiegend aus Deutschland und der Schweiz selbst. Das große Interesse verwundert nicht, gilt doch die Schweiz mit ihren kurvigen Straßen und den Pässen als klassisches Motorradland. Die Vorabinfos vom LMZ waren umfassend und interessant.
Nun galt es, die Anreise von Berlin aus zu organisieren. Da Eckart und ich bis Freitag arbeiten mußten, wir aber bereits am Samstag nachmittag am Ausgangspunkt Luzern sein sollten, bot sich zur streßarmen Anreise der Autoreisezug nach Lörrach an. Glücklicherweise erfuhren wir, daß sich ein weiterer Lederbär, Frank , nebst Freund Patrick und einem Beifahrer zur Tour angemeldet hatten. Für fünf Personen gewährt die Bahn auf ein gemeinsames Abteil erhebliche Preisvorteile. So kostete die Fahrt pro Person inkl. Motorradbeförderung etwa DM 270,--.
Am Freitagabend trafen
wir uns auf dem Verladeplatz Wannsee. Die Motorräder
wurden fachgerecht an den Rädern festgemacht und mit
Seilen gesichert. Eckart hätte sich gern danebengelegt
und ebenfalls einschnüren lassen, aber das kundige
Bahnpersonal erkannte ihn nicht als Motorrad an. Mich
übrigens auch nicht, grummel.... Die Abteile boten den eher zweifelhaften Komfort der 50er Jahre. An Schlaf war jedoch ohnehin nicht zu denken, denn alle paar Kilometer hielt der Zug auf Nebengleisen, um andere Züge vorbeizulassen. So düste oder döste jeder vor sich hin, und irgendwann wurde es dann wieder heller und das Zugbegleitpersonal servierte das Frühstück. |
Die Fahrt von Lörrach nach Luzern über Landstraßen fand bei bestem Wetter statt. Den Tankstop hatten wir hinter die Schweizer Grenze verlegt, da Benzin bei den Eidgenossen erheblich preiswerter ist. Dabei trat allerdings ein typisches Schweizer Geldproblem auf. Viele Tankstellen sind den größten Teil des Tages unbesetzt - meistens zufällig gerade, wenn man Tanken möchte -, und nicht in der Schweiz ausgestellte ec- und Kreditkarten werden von den Automaten nicht akzeptiert. Später fanden wir aber doch noch rechtzeitig eine bemannte Tankstelle.
Durch Luzern quälten wir uns dann im üblichen Stau, fanden jedoch dank Patricks ortskundiger Führung das als Treffpunkt dienende Schweizer Verkehrshaus (ein Museum) auf Anhieb.
Gletschergarten Luzern
Während Frank, Patrick und ihr Reisebegleiter Tony das örtliche Schwimmbad unsicher machten, beschlossen Eckart und ich, das Luzerner Gletschermuseum mit dem Löwendenkmal und dem Spiegelkabinett (wer ist der schönste im ganzen Land ?) zu besichtigen. Im Gletschermuseum können metertiefe, vom Schmelzwasser eines eiszeitlichen Gletschers ausgewaschene Löcher besichtigt werden. Darüber hinaus befindet sich dort eine Ausstellung zur Geschichte Luzerns.
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In der Altstadt sind vor allem die beiden mittelalterlichen überdachten Holzbrücken über die Reuss sehenswert (insbesondere wegen der Holzbilder, aber auch der unzähligen Kreuzspinnen in den Erkern wegen - hallo Erik, schon die PARAL-Flaschen griffbereit ?). |
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Zurück am Verkehrshaus, hatten sich die vierzehn Tourleiter schon mit ihren Maschinen aufgestellt und es wurden Begrüßungsgetränke gereicht. An den Motorrädern waren Zettel angebracht, auf denen die Tourleiter ihren jeweiligen Fahrstil einschätzten. Darüber hinaus trugen sie verschiedenfarbige Hankies, die ebenfalls als erste Orientierungsgröße dienen konnten. In Anbetracht meiner Bergunerfahrenheit wählten Eckart und ich mit der dunkelgrünen (sorry, keine Ahnung, was das bedeutet) Gruppe eine vermeintlich langsamere.
Danach suchten wir unsere Unterkunft, eine neue Jugendherberge am Rande Luzerns, auf. Dort wurde auch das Abendbrot eingenommen und am Abend gab es eine Informationsveranstaltung zur Tour.
Insgesamt muß man dem LMZ zu diesem Organisationstalent wirklich gratulieren. Für die 400,-- SFR wurde wirklich einiges geboten. Inklusive waren Übernachtung in Sammelunterkünften (das ist zwar ein sehr zweifelhaftes Vergnügen, aber bei dem Preis, denke ich, nicht anders darstellbar), Frühstück und ein meist mehrgängiges warmes Abendbrot - auch an Vegetarier war gedacht worden - und schließlich die Betreuung durch ein medizinisches und ein technisches Fahrzeug.
Der kommende Tag war zwar zur freien Verfügung gedacht, jedoch hatte der LMZ auch hier für die Teilnehmer eine Programmauswahl aufgestellt. Entweder eine Schiffstour über den Vierwaldstätter See mit anschliessender Bahnfahrt auf den Luzerner Hausberg Rigi. Oder wie wäre es mit einem langen, mittleren oder kurzen Ausflug zum Brünigpaß, wo ein anderer Zürcher Lederclub sein alljährliches Treffen anberaumt hat?. Wir entschieden uns für die lange Tour zum Brünig, da wir verhältnismäßig früh wach waren. Durch die noch zahme Landschaft des Alpenvorlandes nördlich von Luzern ging es nach Willisau (zu Willi-Sau ?), wo das Mittagessen eingenommen wurde. Angesichts des hübschen Ortsbildes klickten überall die Fotoapparate. Dann ging es zum ersten Paß. Da mir das Tempo auf den kurvigen Straßen dann doch zu hoch wurde, ließ ich die Gruppe vorfahren und zog allein weiter.
Sonnenuntergang Vierwaldstätter See |
Am Abend war ein Überraschungsnachtessen angekündigt. Eine halbe Stunde waren wir von der Jugendherberge zu Fuß unterwegs, als wir vor der Schiffsanlegestelle von Luzern ankamen. So kamen auch wir noch zu unserer Schiffsrundfahrt über den Vierwaldstätter See. Zum Sonnenuntergang wurde uns dann an Deck das Abendbrot kredenzt. Eine nette Idee, die den LMZ zwei Monate Verhandlungen mit der Reederei gekostet hat. |
Am nächsten Tag, dem offiziellen Tourbeginn, ging es zunächst auf einer Uferstraße am Vierwaldstätter See entlang. Nur kurz hielten wir in Altdorf, um das Tell-Denkmal zu fotografieren, bevor es durch das Reuss-Tal und die wildromantische Schöllenenschlucht zur Teufelsbrücke ging. Nach deren Besichtigung gingen ich und mein Nachfahrer leider verloren, weil der erste Teil der Gruppe losfuhr, obwohl eine schier unendliche Autoschlange die Straße heraufkam. Hinter Andermatt war wohl dann doch noch jemandem aufgefallen, daß zwei der sieben Motorräder fehlten, und so gewannen wir wieder Anschluß. Der nächsten Zwischenstopp wurde am Rhone-Gletscher eingelegt. Zuvor mußte noch der 2.400m hohe Furkapaß überquert werden. Augenscheinlich interessierten sich die Schweizer zumindest in unserer Gruppe nicht sonderlich für die Naturschönheiten, die ihr Land zu bieten hat. Eckart und ich waren die einzigen, die den Gletscher von innen besichtigten. Durch einen angelegten Gang kann man einige Meter weit in die Eismassen eindringen.
Über den Grimselpaß ging es weiter nach Meiringen, wo die berühmte Aareschlucht auf Holzpfaden, die an den Fels gebaut sind, begangen werden kann. Trotz angenehmer Kühle zwischen den mehrere hundert Meter hohen Felswänden (oben zeigte das Thermometer immerhin über 30°C) waren wir auch hier wieder die einzigen unserer Gruppe, die das Naturerlebnis suchten. |
Das Wetter hatte sich bis dahin noch von seiner besten Seite gezeigt. Bei unserer Ankunft in Beatenberg oberhalb des Thuner Sees fing es jedoch an zu gewittern. Wir bezogen zunächst froh unsere Unterkunft, einen der zahlreichen unterirdischen Zivilschutzbunker (tolle Stimmung da drin ... grusel). Auf dem 20minütigen Fußmarsch zu der Speisegaststätte, in der das Abendbrot eingenommen wurde wurde jedoch fast jeder noch durchweicht. In der Nacht teilten sich die Tourteilnehmer in zwei Lager: die, die schlafen konnten und andererseits die, die nicht schlafen konnten, weil die, die schlafen konnten, bei Schlafen schnarchten.
Am nächsten Tag wechselten Eckart und ich die Gruppe. Man hatte mir zu verstehen gegeben, daß mein Fahrtempo der Vortagesgruppe wohl doch etwas zu gemächlich erschien. Vielleicht lag es ja an der fehlerhaften Selbsteinschätzung des Tourleiters ("ruhige Fahrweise" mit funkenden Trittbrettern in der Kurve - Schweizer haben vielleicht eine andere Einstellung zu Kurven. Überhaupt herrschte ein Mangel an langsameren Gruppen)? Nun gut, nicht ärgern. Der Wechsel stellte sich als Glücksfall heraus.
Nach einer unfreiwilligen Streckenänderung wegen eines Erdrutsches ging es durch das landschaftlich weniger interessante Schweizer Mittelland via Autobahn nach Solothurn. Der gleich anschließende Weißensteinpaß mit seinen engen Spitzkehren stellte zwar eine große Herausforderung dar. Scheuende Motorräder habe ich jedoch bisher nur dort gesehen. Auch ereignete sich das erste Malheur. Werner aus München legte seine BMW vor einem entgegenkommenden Wagen um. Der konnte jedoch noch rechtzeitig bremsen. Das kleine Leck im Vergaser beschäftigte das per Handy gerufene Technik-Fahrzeug nicht lange.
Nach dem Mittagessen in einem kleinen Restaurant (interessante prä-hysterische Kloinschriften: "Das Fischen von Zigarettenkippen aus der Pisse gehört nicht zu den Lieblingsbeschäftigungen des Personals!" - warum eigentlich nicht?) besichtigten wir das alte Städtchen St. Ursanne, bevor wir über ein schmales Mautsträßchen (Kuhslalom) den Col du Chasseral erklommen. Die Aussichtsplattform bietet einen herrlichen Blick auf den Bieler See, bei schönerem Wetter als unserem jedenfalls.
In den zwei folgenden Nächten wurde in Boudry am Neuenburger See übernachtet. Am dazwischen liegenden Tag stand es jedem frei, entweder an einer geführten Fahrt durch den/die/das Schweizer Jura teilzunehmen oder die Umgebung auf eigene Faust zu erkunden (Manche ließen dem Vernehmen nach auch andere die eigene Faust erkunden - hallo Werner). Besonderer Beliebtheit erfreuten sich das Strandbad am Neuenburger See, die Altstadt von Neuchâtel und das - zumindest für meinen Geschmack - enttäuschende Schmetterlings- und Nachttierhaus (naja, wenigstens ist im Dunkeln gut munkeln). Das Nachtessen wurde uns vom Grill kredenzt.
Irgendwer muß nicht aufgegessen haben. Am nächsten Tag regnete es wie aus Eimern. Das Motivationstalent unseres Tourleiters Alain kann nicht von dieser Welt sein. Jedenfalls schaffte er es, uns einen schmalen Schotterweg ins Gebirge zu bugsieren, an dessen Ende ein Fort aus dem Zweiten Weltkrieg zu besichtigen war. Allerdings erhielt der dort servierte Kaffee und Tee erheblich größeren Zuspruch. Außerdem erhielt unsere Gruppe weiteren Zuwachs. Curt aus Schweden mit seiner Harley hatte das Tempo in seiner Ex-Gruppe ebenfalls nicht behagt.
Das Mittagessen nahmen wir am Lac du Joux zu uns, Gott sei Dank nicht auf der Sonnen- äh Regenterrasse. Doch, oh Wunder, ab der französischen Grenze war wieder die Sonne unsere Begleiterin. Als wir in Serraval, unserem heutigen Übernachtungsort, ankamen, erreichte uns zwar der Regen wieder, aber dort störte er kaum noch jemanden (nicht wahr, Eckart ?).
Vielleicht war ja eines der unzähligen Gläser Wein nicht in Ordnung, die ich an diesem Abend zu mir nahm. Oder wie sonst ist es zu erklären, daß ich gemeinsam mit Ralf und Oliver zunächst den anderen das Kartoffelgratin und danach den Salat wegaß und mich anschließend mit T-Shirt in den Pool stürzte. Halt, dazwischen hatte ja noch Eckart die Käseplatte, die eigentlich für alle reichen sollte, nur über unseren Tisch verteilt. Jaja, peinlich, peinlich der ganze Abend.
Der folgende Morgen begann katerlos, aber erneut mit Regen. Für diesen Tag war eine wahre Königsroute geplant: sieben relativ schmale Pässe. Angesichts des Regens und der anspruchsvollen und langen Tour grauste uns allen zwar ein wenig, aber auch hier verstand es Alain wieder hervorragend, alle Schäfchen beisammen zu halten.
Ganz so feucht, wie es früh ausgesehen hatte, gestaltete sich der Tag glücklicherweise nicht. Ab und zu guckte doch einmal die Sonne zwischen den dunklen Wolken hervor, um die Regenkombis für ein paar Minuten zu trocknen und eine Aussicht auf das gewaltige Bergpanorama zu erleuchten.
Bei der Ankunft in Kaserne von Lausanne wurden wir vom MSC Suisse Romande mit Lümmeltüten und Gleitcreme begrüßt. Der Vorsitzende des LMZ, Reto, hatte am Vorabend schon sehr ausdrücklich darauf hingewiesen, daß in Lausanne die Organisationsverantwortung des LMZ enden würde. Die Bettenvergabe verlief dann auch nicht völlig reibungslos. Die Fahrt zur sogenannten Waldhütte, in der das Nachtessen serviert wurde und am folgenden Abend auch die Wahl zum Mister Leather Switzerland stattfinden würde, nahm auch längere Zeit in Anspruch, da die Leute mit einem Kleinbus mit 15 Sitzplätzen befördert werden sollten, der circa alle dreiviertel Stunde verkehrte. Die Mehrzahl entschied sich dann doch lieber, ein Taxi zu bestellen und die Schweizer Preise zu genießen (30 SFR für etwa 8 km). Der Abend verlief zumeist unspektakulär, da die meisten K.O. waren. Um mir ewige Warterei auf den Bus zu ersparen, vertraute ich mich für den Rückweg lieber meinen Beinen an.
Am nächsten Tag gab es für die unersättlichen eine Motorradtour zur Besichtigung eines Salzbergwerkes. Welch ein Glück, kehrte diese Gruppe erst später zurück, und der Pendelbus war am frühen Abend noch fast leer. Während Eckart im Hinblick auf die Transportprobleme des Vorabends vorsichtshalber das Motorrad nahm, wählte ich den Bus. Alain versuchte vergeblich durch Auslaufenlassen des Poppersfläschchens, den Busfahrer in den nächsten Straßengraben zu lotsen.
Am Eingang zum Gelände der Waldhütte ließ er sich dann überreden, an der Wahl teilzunehmen. Bis dahin gab es erst einen Kandidaten. Für seine Vorstellung mußte er sich nun noch etwas ausdenken, etwas mit einem Motorrad vielleicht? Nach dem Abendessen stellten sich die Kandidaten dem gesamten Publikum vor - es hatten sich noch drei weitere zur Wahl stellen lassen. Dann begannen die Aufführungen - und wie sich einige aufführten...
Nach dem vierten Kandidaten wurde eine kurze Pause angekündigt. Alain war bis dahin noch nicht aufgetreten. Also mußte die Verzögerung mit seiner Darstellung zu tun haben. Mehrere starke Kerle (seufz) hievten ein Motorrad auf die Bühne - eine königsblaue Yamaha XJ 600 mit Regenbogenaufklebern, irgendwie ein vertrauter Anblick - Eckarts Maschine. Was dann folgte, ist eigentlich nur schwer in Worte zu kleiden. Nur soviel: so sauber wie danach war Eckarts Motorrad noch nie. Ich wußte gar nicht, daß Seitenspiegel und Krauser Gepäckträger auf jemanden so erotisch wirken können.
In der Diskussion mit anderen Anwesenden stellte sich schnell heraus, daß es eigentlich nur zwei heiße Anwärter auf den Titel gab: das Duo, welches zuerst mit einer Sklavennummer aufgetreten war, und Alains Motorradputznummer. Das Publikum entschied, indem jeder ein Kärtchen in den Stiefel seines Favoriten warf. And the winner is ... Alain. Da liefen aber jemandem die Tränen.
So kam der Abend zu einem krönenden Abschluß und Eckart zu einem sauberen Motorrad. Da wir jedoch noch eine weitere Woche Urlaub hatten, blieb der Zustand nicht lange erhalten. ||||||
Dieser Bericht ist in ähnlicher Form im Bärentratsch des MCLB erschienen. |
(c) Eckart Märkel, Berlin 2000 |
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